Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat am 10. September 2024 das umfangreichste Maßnahmenpaket im Bereich Sicherheit, Migration und Prävention in der Geschichte Nordrhein-Westfalens beschlossen und geht jetzt unmittelbar in die Umsetzung des ersten Teil des Pakets. Mit zwei umfassenden Initiativen adressiert die Landesregierung nun in der ersten Sitzung des Bundesrates nach dem Terrorakt von Solingen die Bereiche, in denen Änderungen im Bundesrecht oder im europäischen Recht notwendig sind. Mit den Bundesratsinitiativen sollen einerseits die Sicherheitsbehörden im Land bei der Terrorismusbekämpfung gestärkt und andererseits die Migrationspolitik verbessert werden.
Dabei werden auch schwierige Themen adressiert wie die Speicherung von Verkehrsdaten und die Beschleunigung von Asylverfahren für Herkunftsstaaten mit einer Anerkennungsquote unter fünf Prozent.
Zudem wird die Bundesregierung aufgefordert, sich für eine deutliche Verbesserung der Verfahren für Dublin-Überstellungen einzusetzen.
Ministerpräsident Hendrik Wüst: „Der Umgang mit den Themen Migration und Sicherheit ist zentral für das Grundvertrauen der Menschen in unseren demokratischen Staat und seine Handlungsfähigkeit. Mit unserem Sicherheits- und Migrationspaket beweisen wir politische Handlungsfähigkeit – schnell, die politischen Lager übergreifend, mit Konsequenz und Besonnenheit. Solingen war eine Zäsur. Die Menschen wollen Antworten aus der Mitte der Gesellschaft. Dieses Paket unserer Landesregierung zeigt, dass Probleme aus der politischen Mitte heraus gelöst werden können – und auch gelöst werden müssen. Wir machen die dafür notwendige Allianz der Mitte in eigener Verantwortung konkret.“
Entschließungsantrag „Änderungen im Strafgesetzbuch und in der Strafprozessordnung zur Stärkung der Terrorismusbekämpfung“
Der Terrorakt in Solingen am 23. August 2024 steht in einer Reihe von mutmaßlich islamistisch motivierten Anschlägen. Bund und Länder sind daher aufgerufen, gemeinsam Maßnahmen zu ergreifen, um terroristisch motivierte Anschläge bestmöglich vorzubeugen und das Vertrauen der Bevölkerung in die Wehrhaftigkeit des Staates wieder zu stärken. Die erste vorgestellte Bundesratsinitiative der Landesregierung schlägt daher Anpassungen im geltenden Recht vor.
Minister des Innern Herbert Reul: „Wir wissen nicht erst seit dem schrecklichen Anschlag von Solingen, dass wir unsere rechtlichen Befugnisse nachschärfen müssen. Das predige ich, seitdem ich Minister bin. Wenn wir den Kampf gegen Terrorismus entschieden führen wollen, brauchen wir ein zeitgemäßes Sicherheits-Update und das richtige, rechtliche Rüstzeug. Mit diesen Maßnahmen geben wir unseren Sicherheitsbehörden die Mittel die sie brauchen, um vor die Lage zu kommen“
Minister der Justiz Dr. Benjamin Limbach: „Unser Vorstoß soll Strafbarkeitslücken im Bundesrecht bei der Vorbereitung von Terrorakten schließen. Für die Aufdeckung und Verfolgung terroristischer Netzwerke fordern wir bessere Rechtsgrundlagen, die die Speicherung von IP-Adressen und eine Funkzellenabfrage erlauben. Was wir vorhaben, ist ein minimalinvasiver Eingriff, der uns bei der Terrorabwehr und der Bekämpfung von Kindesmissbrauch hilft. Dies entspricht den Anforderungen unserer Strafverfolgungspraxis und beachtet den europäischen Rechtsrahmen.“
Konkret gilt es bestehende Lücken im Staatsschutzstrafrecht wie auch in der Strafprozessordnung zu schließen und das Telekommunikationsrecht anzupassen. Hierzu sieht der Entschließungsantrag an den Bundesrat eine Erweiterung der Straftatbestände der § § 89a (Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat) und 89c (Strafbarkeit auch bei leichtfertiger Terrorismusfinanzierung) des Strafgesetzbuches vor. Damit sollen Vorbereitungshandlungen, die sich auf leichter verfügbare Tatmittel wie etwa Messer des täglichen Gebrauchs oder Fahrzeuge beziehen, unter Strafe gestellt werden können. Vorbereitungshandlungen wie zum Beispiel das Unterweisen von zu Terrortaten bereiten Personen im Umgang mit Messern oder das Verschaffen von Messern oder Fahrzeugen für Attentate sollen ebenfalls erfasst werden können. Zudem soll die Strafbarkeit auch bei leichtfertiger Terrorismusfinanzierung erweitert werden: Nachweisprobleme von Strafverfolgungsbehörden, dass Vermögenswerte für Terrorstraftaten als „Spendenfälle“ genutzt werden, sollen so erleichtert werden.
Darüber hinaus werden Neuregelungen zu den Ermittlungsmaßnahmen der Funkzellenabfrage und der Verkehrsdatenspeicherung angestrebt. Anlassbezogen und nach richterlicher Genehmigung kann zum Beispiel die Speicherung von Verkehrsdaten nicht nur bei der Verhinderung und Aufklärung von terroristisch motivierten Straftaten helfen, sondern auch bei dem Aufspüren von Netzwerken und der Identifikation von konspirativ agierenden Täterinnen und Täter einen entscheidenden Beitrag leisten.
Entschließungsantrag „Ordnung, Steuerung, Begrenzung und Humanität in der Migrationspolitik sicherstellen“
Der Terroranschlag in Solingen hat auch gezeigt, dass das Migrationsrecht und dessen Umsetzung überkomplex ist und dadurch der Vollzug von Abschiebungen verhindert wird. Insbesondere Überstellung nach der Dublin-III-Verordnung aus Deutschland in andere EU-Mitgliedstaaten funktionieren derzeit nur mangelhaft. Die Länder zeigen große Bereitschaft zu handeln, stoßen dabei aber an Grenzen, wenn Bundesrecht oder europäisches Recht verändert werden muss. Die nordrhein-westfälische Landesregierung bringt nun einen Antrag in den Bundesrat ein, mit dem er die Bundesregierung auffordert, ihre Regelungs- und Mitwirkungskompetenz auch in europäischen Institutionen verstärkt wahrzunehmen.
Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration Josefine Paul: „Unsere Bundesratsinitiative zielt darauf ab, bundesweit bessere Rahmenbedingungen im Bereich Migration und insbesondere beim Thema Rückführungen zu schaffen. Sie ist der nächste Schritt in der Umsetzung und Teil des Maßnahmenpakets der Landesregierung zu Sicherheit, Migration und Prävention. Neben den wichtigen Maßnahmen, die wir in Landesverantwortlichkeit umsetzen, muss es auch darum gehen, gemeinsam mit Bund und Ländern das System gezielt und schnell zu verbessern. Denn in vielen Fällen kann nur der Bund die entscheidenden Weichen stellen. Als Landesregierung arbeiten wir unterdessen weiter mit Hochdruck an der Umsetzung des Maßnahmenpakets und den Stellschrauben, die wir landesseitig drehen können. Auf dieser Grundlage werden wir uns weiter in die Diskussion um bundeseinheitliche Regelungen in der Migrationspolitik einbringen.“
Der Antrag zielt auf die Verbesserung der Migrationspolitik und sieht klare Maßnahmen vor:
- Verbesserte Dublin-Überstellungen
- Anpassung der Zuständigkeit für Dublin-Überstellungen
- Abschluss weiterer Rücknahmeabkommen
- Rückführung von Straftätern mit syrischer und afghanischer Staatsangehörigkeit
- Absenkung der Schwelle des Ausweisungsinteresses für besonders schwere Straftaten
- Überprüfung der Lageeinschätzung für Herkunftsländer durch die Bundesregierung
- Verlust des Schutzstatus bei Reise ins Heimatland und Wiedereinreisesperre
- Humanitäre Asylverfahren an den europäischen Außengrenzen
- Beschleunigte Asylverfahren für Herkunftsstaaten mit Anerkennungsquote unter fünf Prozent
- Effizientere Regelungen des Ausreisegewahrsams
- Schaffen einer bundesweiten, behördenübergreifend nutzbaren Datenbank zu Identitäten und Aufenthaltsorten und Vernetzung von Behörden
- Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes