Überwachungsverpflichtungen
Die Übertragung staatlicher Aufgaben an Behörden bedingt auch, dass diese die Einhaltung der entsprechenden Arbeitsschutzverpflichtungen überwachen müssen. Schon das Europarecht verlangt, dass die Mitgliedsstaaten für eine angemessene Kontrolle und Überwachung der Arbeitsschutzvorschriften sorgen müssen (vgl. Art. 4 Abs. 2 RL 89/391/EWG). Die Überwachung des Arbeitsschutzes ist nach dem Arbeitsschutzgesetz als staatliche Aufgaben ausgestaltet (vgl. § 21 Abs. 1 S. 1 ArbSchG). Dabei legen die Bundesländer jeweils fest, welche Behörde die entsprechenden Aufgaben wahrnehmen muss (z. B. in Bayern das Gewerbeaufsichtsamt).
Befugnisse der Aufsichtsbehörden
Zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben verfügen die Aufsichtsbehörden über weitreichende Befugnisse, z. B. Einzelfallanordnungen (Verwaltungsakte) nach § 22 Abs. 3 ArbSchG und auch Betretungsrechte (vgl. § 22 Abs. 2 S. 1 ArbSchG). Zu diskutieren bleibt aber, ob die Aufsichtsbehörden auch private Wohnräume betreten dürfen.
Das ArbSchG enthält aufgrund verfassungsrechtlicher Vorgaben zwar auch eine Zitierklausel, in welcher das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG eingeschränkt ist (§ 22 Abs. 2 S. 9 ArbSchG). Dies begründet sich aber schwerpunktmäßig aus dem Umstand, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes auch Geschäfts- und Betriebsstätten unter den Anwendungsbereich des Art. 13 GG („Unverletzlichkeit“) fallen (vgl. z. B. BVerfG, Beschl. v. 27.06.2018 – 2 BvR 1562/17).
Betretungsrechte
Während unstrittig Betriebs- und Geschäftsräume durch die Aufsichtsbehörden unter den im Gesetz benannten Umständen betreten werden dürfen, bedarf es hinsichtlich von Wohnräumen einer differenzierteren Betrachtung. Ein Betretungsrecht besteht vom Grundsatz nur dann, wenn sich die Arbeitsstätte in einer Wohnung befindet (vgl. § 22 Abs. 2 S. 6 ArbSchG).
Nach der hier vertretenen Auffassung liegt dieser Tatbestand allerdings dann nicht vor, wenn es sich um die Wohnungen der Beschäftigten handelt. Dies begründet sich aus dem Umstand, dass dies keine „Arbeitsstätten“ im Sinne des deutschen Arbeitsstättenrechts sind. Arbeitsstätten weisen regelmäßig einen örtlichen Bezug zum Betrieb auf (vgl. Legaldefinition in § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbStättV).
Bei Arbeitsstätten handelt es sich immer um räumliche Verfestigungen der Betriebsstruktur des Arbeitgebers. § 22 Abs. 2 S. 6 ArbSchG gilt nach der hier vertretenen Auffassung somit lediglich für Wohnungen des Arbeitgebers (sofern hier entsprechende betriebsbezogene und arbeitsschutzrechtlich relevante Tätigkeiten ausgeführt werden). Im Ergebnis ist § 22 Abs. 2 ArbSchG in Bezug auf die privaten Wohnräume der Beschäftigten nicht anwendbar.
Teilweise wird aber auch vertreten, dass § 22 Abs. 2 S. 6 ArbSchG auch auf die privaten Wohnräume der Beschäftigten anzuwenden ist (detailliert zu dem Thema: Kollmer GewArch 2023, 266). Sofern man sich dieser Rechtsauffassung anschließt, bleibt es allerdings auch hier dabei, dass Wohnräume lediglich dann von den Aufsichtsbehörden ohne Einverständnis der Bewohner oder Nutzungsberechtigten betreten werden dürfen, wenn sich dies zur Verhütung dringender Gefahren oder für die öffentliche Sicherheit und Ordnung als erforderlich erweist (§ 22 Abs. 2 S. 6 ArbSchG).
„Öffentliche Ordnung“ ist kein Ermächtigungstatbestand
Vor dem Hintergrund des hohen Rechtsgutes, welches in Art. 13 GG zum Ausdruck kommt, dürfte allerdings die „öffentliche Ordnung“ regelmäßig als Ermächtigungstatbestand ausscheiden. Bei der öffentlichen Ordnung handelt es sich um die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des Einzelnen, soweit die Beachtung dieser Regeln nach den herrschenden Auffassungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten Gemeinschaftslebens betrachtet wird.
Aber auch die öffentliche „Sicherheit“ führt beim Homeoffice regelmäßig nicht dazu, dass man hieraus ein Betretungsrecht ableiten könnte. Es müsste sich (dem Gebot der Verhältnismäßigkeit folgend) hier um Gefährdungen von Leben und Gesundheit handeln, welche bei dieser mobilen Arbeitsform nur schwer zu begründen sein dürften. Weiterhin muss es sich um eine „dringende“ Gefahr handeln. Hierbei handelt es sich um eine solche, bei welcher es nicht möglich wäre, das zu beurteilende Verhalten zu ignorieren und zuzuwarten (Kollmer GewArch 2023, 266). Dies erscheint allerdings im Bereich des Homeoffice als sehr unwahrscheinlich.
Fazit
Regelmäßig verfügen die für den Arbeitsschutz zuständigen Aufsichtsbehörden nicht über die Befugnis, zum Zwecke der Überwachung des Arbeitsschutzes in Bezug auf das Homeoffice die Wohnräume der Beschäftigten zu betreten. Aber auch dann, wenn die Rechtsauffassung vertreten wird, dass dies nach § 22 Abs. 2 S. 6 ArbSchG möglich ist, darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass dies dann von Rechts wegen nur bei „dringenden“ Gefahren möglich ist, die im Bereich des Homeoffice normalerweise nicht vorliegen werden.
Quelle & Text: Haufe/Patrick Aligbe
https://www.haufe.de